London im 19. Jahrhundert
London machte eine aufregende Wandlung durch wie nur wenige Städte. Vom einstmals römischen Handelsposten wurde es zur blühenden mittelalterlichen Stadt, fiel 1666 zu weiten Teilen dem großen Brand zum Opfer und erhob sich auch daraus wieder zu barocker Pracht und Eleganz. Im viktorianischen Zeitalter war London zu einer der größten Städte der Welt geworden, eine Metropole mit unangefochtener Dominanz, das Zentrum des Empire, das Reichtum und Armut vereinte. In ihrer Bedeutung für globale Politik, Finanzen und Handel war sie lange konkurrenzlos. Als Hauptstadt des britischen Weltreichs wirkte sie wie ein Magnet für Immigranten aus den ärmeren Teilen Europas oder den Kolonien.
Werften und Fabriken erhielten einen immensen Zuwachs, und im Rahmen der Industrialisierung wuchs das Bedürfnis nach großen Wohnhäusern, Bahnhöfen und Docks. Die mittelalterliche London Bridge wurde 1824 ersetzt, und die erste Eisenbahn fuhr 1836 von London Bridge nach Greenwich, und 1863 wurde mit der Metropolitan Line der U-Bahn-Betrieb aufgenommen. Die Vorstädte wuchsen und erfreuten sich eines großen Zulaufs. Londons Bevölkerung steigt von 850.000 Einwohnern Anfang 1800 auf 4,5 Millionen Anfang des 20. Jahrunderts. Ganze Landstriche verschlang der stetig wuchernde Koloss, das Herz des britischen Imperiums. Überall zeigt sich die Freude der Epoche an üppiger Dekoration, die Lust an überquellendem Dekor, an Pomp.
Während der Imperialismus der Stadt einen stetig wachsenden Wohlstand bescherte, gab es andererseits auch ein extremes Gepräge, was die Armut anging. Menschen vegetierten in Slums dahin, hausten oftmals zu mehreren Familien in einem Zimmer, litten unter extrem unhygienischen Verhältnissen und wurden nur selten satt. Dem gegenüber standen die jungen Leute der wohlhabenderen Schichten, die die Elendsviertel aufsuchten, um dort heimlich verruchten Vergnügungen nachzugehen. Übersättigt vom Reichtum und der Eleganz, in der sie aufwuchsen, suchten sie hier den Nervenkitzel.
Als Symbol für London und generell das gesamte viktorianische Zeitalter galt die Weltausstellung im Crystal Palace, die Great Exhibition im Jahr 1851, als England am Zenit seiner Macht stand. Schauplatz jenes seinerzeit einzigartigen Ereignisses, in dem Großbritannien sich selbst zelebrierte und das Aussteller aus der ganzen Welt anlockte, war der Hyde Park. Vormals ein Exerzierplatz und königlicher Jagdgrund, den Henry VIII. zum Wildpark umwandelte, öffnete Charles I. 1635 den Park allen Londonern. Es wurde ein Ort, in dem der Adel sich in Kutschen präsentierte, die Wohlhabenden morgens ausritten, die Waghalsigen sich zu heimlichen, weil verbotenen, Duellen trafen und Liebende sich zu romantischen Rendezvous trafen. Der 1828 von Decimus Burton entworfene Torbogen bildet den Haupteingang.
Ende der 50er Jahre zeigten sich sanitäre Probleme in London, die 1858 im sogenannten „großen Gestank“ gipfelten. Grund dafür war, dass die Abwässer in die Themse geleitet wurden. Es gab häufige Ausbrüche von Choleraepidemien, weil auch das Trinkwasser aus der Themse bezogen wurden. Der Bau eines neuen Abwassersystems wurde notwendig und eiligst in die Wege geleitet. Die Verlegung eines unterirdischen Kanalisationssystems galt als größtes Bauprojekt des Jahrhunderts, in dessen Folge auch die Sterblichkeitsrate sank.
Bis zum Ende der viktorianischen Ära blieb Londons Dominanz als Weltmetropole unangefochten.